"Schneidergeselle dringend gesucht" steht auf einem Schild an der Werkstatt des Meister Fingerhut zu lesen. Das ist genau das Richtige für den Münchner Kasperl, der gerade auf Wanderschaft ist. Lange hält es den Gesellen jedoch nicht. Als er sieben Fliegen, die sich gierig über sein Mußbrot hermachen wollten, mit einem Streich erschlagen hat, da zieht es ihn vor Stolz wieder hinaus in die Welt. Sein Gürtel mit der Aufschrift "Sieben auf einen Streich" sorgt bei allen, die ihm begegnen jedoch für Missverständnisse. Auch der König hält den Fliegentöter für einen großen Kriegshelden, der sieben Männer auf einen Schlag ins Jenseits schickte. So werden dem Kasperl die Hand seiner Tochter und das halbe Königreich angeboten, wenn er zwei Riesen, ein Einhorn und ein garstiges Wildschwein, die das Land in Angst und Schrecken versetzen, zur Strecke bringen könne. Wie gut, dass Kasperl mit Verstand ausgleicht, was ihm an Muskelkraft fehlt.
Das Münchner Marionettentheater gilt als weltweit erste Marionettenbühne mit festem Sitz und hat sein Domizil seit 1900 in München. Sein Gründer Josef Leonhard Schmid beabsichtigte, mit seinem Figurentheater pädagogisch auf das zumeist kindliche Publikum einzuwirken. Vornehmlich wollte den "Polcinellbuden" etwas entgegenstellen, die die jungen Zuschauer bislang mit ihren oft rohen Kasperlspielen auf die Jahrmärkte lockten. Unterstützung fand er nicht nur bei Franz Graf von Pocci, der zahlreiche Stücke verfasste, sondern auch bei den Entscheidungsträgern der Stadt München. Im November des Jahres 1858 erhielt Schmid die Erlaubnis für sein "ständiges Marionettentheater für Kinder" und eröffnete es bereits am 5. Dezember. Kurz vor seinem Tod im Jahr 1912 übergab er die Leitung seiner Tochter Babette Klinger-Schmid. Ihr folgten Karl Winkler, das Ehepaar Binter und ab 1957 Franz Leonhard Schadt, welcher es geschickt verstand, die Tradition der Bühne zu bewahren und doch neue Impulse einzubringen. Unter seiner Leitung wurde das Münchner Marionettentheater sehr bald auch für das Fernsehen entdeckt. Bereits am 29. Juli 1957 übertrug der Bayerische Rundfunk Schadts Stück "König Dickwanst" nach einer Erzählung von Wera von Stollberg. Doch nicht nur Stücke für Kinder wurden im Fernsehen übertragen, auch Teile des Repertoires für Erwachsene fanden ihren Weg auf die Bildschirme (z.B. die Oper "Die Kluge" von Carl Orff).
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